Am 2. Juli 2009 hat der Bundestag die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform des Erb- und Verjährungsrechts verabschiedet (Erbrechtsreform, BT-Drucks. 16/8954). Am 18. September 2009 ließ der Bundesrat die Reform passieren, so dass die neuen Regelungen zum 1. Januar 2010 in Kraft treten.
Das bislang geltende Erbrecht besteht seit über 109 Jahren weitestgehend unverändert. Nicht zuletzt weil sich das fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches bewährt hatte. änderungen müssen auch mit Bedacht vorgenommen werden, da zwischen dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung und dem Eintritt des Erbfalls oftmals viele Jahrzehnte liegen.
Jahrelang wurde diskutiert wie man das Erbrecht in seiner Struktur erhalten und dennoch den gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht werden kann. Da der Gesetzgeber die Reform noch in dieser Legislaturperiode durchboxen wollte, sind von den ursprünglich geplanten änderungen im Rechtsausschuss des Bundestages nur noch wenige übrig geblieben. Erbrechtler sprechen daher mehr von einem Reförmchen als von einer richtigen Reform. Weitere als die nun beschlossenen änderungen wären nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig gewesen. Weitere Neuerungen wird es nach unserer Einschätzung in naher Zukunft dennoch nicht geben. Wäre allerdings die Reform jetzt nicht beschlossen worden, so wäre sie sehr wahrscheinlich dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Das heißt, die Reformpläne wären unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl eingestampft worden. Der Gesetzgeber hätte sich dann von Neuem mit den Reformplänen beschäftigen müssen. Wir betrachten es dennoch als positiv, dass zumindest die Reform in der jetzigen Fassung beschlossen wurde.
Im Folgenden die wichtigsten änderungen zusammengefasst:
1. Verkürzung des Verjährungsrechts
Die Verjährung von familien- und erbrechtlicher Ansprüchen wird an die im Rahmen der Schuldrechtsreform im Jahr 2001 eingeführte dreijährige Regelverjährung angepasst. In der Praxis führte die teilweise Sonderverjährung von 30 Jahren häufig zu Schwierigkeiten. Künftig verjähren nun auch Vermächtnisansprüche in drei Jahren.
2. Pflichtteilsentziehungsgründe
Das Pflichtteilsrecht lässt nahe Angehörige auch dann am Nachlass teilhaben, wenn der Erblasser sie im Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen hat (sog. Mindestteilhabe am Nachlass). Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Hieran ändert sich – anders als ursprünglich geplant – nichts. Bislang konnte der Pflichtteilsberechtigte nur in wenigen Fällen gänzlich vom Nachlass ausgeschlossen werden. Zudem wurden die Entziehungsgründe für alle Personen vereinheitlicht. Künftig kann der Erblasser den Pflichtteil in folgenden Fällen entziehen:
– rechtskräftige Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung; zudem muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden;
– Pflichtteilsberechtigte trachtet dem Erblassers oder ihm nahestehenden Personen nach dem Leben oder begeht gegenüber ihnen eine besonders schwere Straftat;
Neu ist auch, dass die Gründe für eine Pflichtteilsentziehung in der letztwilligen Verfügung des Testierenden genannt werden müssen.
3. Erweiterung der Stundungsgründe (§ 2331a BGB)
Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte nicht selten nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Die bereits bestehende Stundungsregelung, die bislang nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (zumeist Abkömmlinge und Ehegatte) gegolten hat wird nun auf alle Erben ausgedehnt. Künftig kann der Erbe die Stundung des geltend gemachten Pflichtteils verlangen, wenn die Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie den Erben und seine Familie zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde.
4. Pflichtteilsergänzung
Schenkungen des Erblassers können zu einem Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als hätte der Erblasser zu seinen Lebzeiten keine Schenkungen gemacht und dadurch den Pflichtteilsanspruch gemindert. Schenkungen wurden bislang in voller Höhe berücksichtigt, wenn zwischen der Zuwendung und dem Erbfall zehn Jahre noch nicht verstrichen waren. Nach Ablauf der zehn Jahre hatte der Pflichtteilsberechtigte keinerlei Ansprüche mehr, es sei denn, die Schenkung erfolgte an den anderen Ehegatten oder der Schenker sich umfangreiche Nutzungsrechte vorbehalten hatte. Die starre Frist wurde oft als ungerecht empfunden. Starb der Erblasser einen Tag nach Ablauf der Frist, blieb die Zuwendung unberücksichtigt. Starb der Erblasser hingegen einen Tag früher, wurde die Zuwendung dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet und der Pflichtteilsberechtigte erhielt hieraus seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch („alles-oder-nichts“-Prinzip). Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs pro Jahr immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Die gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsanspruch wurde während des Gesetzgebungsprozesses auch als Pro-Rata-Regelung oder als Abschmelzungsmodell bezeichnet.
Die künftige Regelung berücksichtigt den Wunsch des Schenkers frei in der Wahl des Zeitpunkts der Zuwendung zu sein. Künftig wird einerseits der Pflichtteilsberechtigte geschützt, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod Schenkungen vornimmt, andererseits wird auch dem Wunsch des Schenkers Rechnung getragen, indem er in der Wahl des Zeitpunkts der Schenkung frei ist. Den Erben als auch die Beschenkten wird künftig mehr Planungssicherheit eingeräumt.
5. Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich
Mit der Reform werden Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung besser berücksichtigt. Bislang wurden bei der Auseinandersetzung des Nachlasses erbrachte Pflegeleistungen nur dann ausgeglichen, wenn ein Abkömmling des Erblassers unter Verzicht auf berufliches Einkommen Pflegeleistungen über eine längeren Zeitraum erbracht hat. Trifft der Erblasser in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Abkömmling heute oftmals leer aus. Künftig besteht ein Ausgleichsanspruch gegenüber dem nicht oder nur wenig pflegenden Abkömmling auch ohne Einkommensverlust. Der pflegende Abkömmling erhält nun vor der Nachlassteilung einen Ausgleich für seine erbrachten Pflegeleistungen. Wünschenswert wäre eine Erweiterung des Personenkreises der Ausgleichsberechtigten gewesen, da oftmals die Pflege von den Schwiegerkindern oder anderen Familienmitglieder vorgenommen wird.
Die vorgenannten änderungen gelten für Erbfälle ab dem 1. Januar 2010, unabhängig davon, ob sie an Ereignisse aus der Zeit vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften anknüpfen. Für Erbfälle vor dem 1. Januar 2010 gelten nach wie vor die alten Vorschriften.