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Einfachere Regelung von Erbsachen mit Auslandsbezug

Die Europäische Kommission nahm am 14. Oktober 2009 einen Vorschlag an, durch den die Abwicklung von Nachlasssachen mit Auslandsbezug in der Europäischen Union erheblich vereinfacht werden soll. Der Vorschlag enthält gemeinsame Vorschriften, mit deren Hilfe sich die zuständige Behörde und das auf den gesamten Nachlass anwendbare Recht unabhängig von der Belegenheit der Nachlassgegenstände leicht ermitteln lassen. Nutznießer dieser Vorschriften sind die Bürger. Die Verordnung stärkt nicht nur die Rechte der Erben, Vermächtnisnehmer und sonstigen Beteiligten, sondern gibt dem Erblasser auch Gelegenheit, seinen Nachlass besser zu regeln, indem er ihm die Wahl des Rechts überlässt, nach dem der Übergang des Nachlasses vonstatten gehen soll. Die Kommission schlägt auch die Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses vor, das Erben und Nachlassverwaltern überall in der Union den problemlosen Nachweis ihrer Rechtsstellung ermöglichen soll.

Jacques Barrot, für den Bereich Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständiger Kommissar und Vizepräsident der Europäischen Kommission, nahm die Annahme des Vorschlags mit Befriedigung zur Kenntnis: „ Sowohl Bürger als auch Rechtsanwender müssen die Rechtsvorschriften, die auf einen Nachlass unabhängig von der Belegenheit der einzelnen Nachlassgegenstände anwendbar sind, verstehen und bis zu einem gewissen Grad auch selbst wählen können. Der Vorschlag sieht daher vor, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, sich die zuständige Behörde und das anzuwendende Recht nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers richten; gleichzeitig erhält dieser aber die Möglichkeit zu bestimmen, dass der Nachlass nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit geregelt wird. Dies bedeutet nicht nur mehr Rechtssicherheit, sondern auch mehr Flexibilität, so dass der Erblasser der Regelung seines Nachlasses etwas gelassener entgegensehen kann. Durch die Einführung des europäischen Nachlasszeugnisses können Erben und Nachlassverwalter überall in der Union ohne weitere Formalitäten ihre Rechtsstellung nachweisen. Die Verordnung ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem echten europäischen Rechtsraum auf dem Gebiet des Zivilrechts.“

Jedes Jahr fallen in der Europäischen Union 450 000 neue internationale Erbrechtsfälle an, bei denen es um ein geschätztes Vermögen von insgesamt mehr als 120 Mrd. EUR geht. Die Rechtsvorschriften, die dabei zum Zuge kommen, sind äußerst komplex und im Voraus nur schwer absehbar. Nicht nur die Zuständigkeitsregeln, sondern auch die Vorschriften über das anwendbare Recht variieren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich. Hieraus entsteht ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, das oft Unmut hervorruft: bei den Erben, die sich im Falle eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Nachlasses einem unübersehbaren Dickicht an Rechts- und Verwaltungsvorschriften gegenübersehen, aber auch bei denen, die ihren Nachlass im Voraus regeln möchten.

Mit dem Vorschlag wird ein dreifaches Ziel verfolgt: Er soll die Gewähr für berechenbare und kohärente Vorschriften bieten und damit für mehr Rechtssicherheit sorgen; er soll den Betroffenen bei der Wahl des auf ihren Nachlass anzuwendenden Rechts mehr Spielraum verschaffen und schließlich soll er die Rechte von Erben und/oder Vermächtnisnehmern, aber auch von sonstigen Beteiligten (beispielsweise Gläubigern) wahren. Die Verordnung lässt das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten unberührt. Fragen wie „Wer ist erbberechtigt“ oder „Welcher Anteil entfällt auf meine Kinder und welcher auf meinen Ehegatten“ werden weiterhin vom jeweiligen nationalen Erbrecht beantwortet. Auch in das Güter- und das Familienrecht der Mitgliedstaaten wird in keiner Weise eingegriffen. Die Verordnung ändert ebenfalls nichts an den auf den Nachlass anwendbaren Steuervorschriften, die nach wie vor einzelstaatlichem Recht unterliegen.

Wie sieht die neue Regelung aus? Der Vorschlag sieht vor, dass, soweit nichts Anderes bestimmt ist, für die Zuständigkeit einer Behörde und das anzuwendende Recht in einer grenzübergreifenden Erbsache ein einziges Kriterium maßgebend ist, nämlich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Wer im Ausland wohnhaft ist, kann jedoch beschließen, dass auf seinen gesamten Nachlass das Recht seiner Staatsangehörigkeit anwendbar ist. Sämtliche Bestandteile des Nachlasses unterliegen somit ein und demselben Recht. Dadurch verringert sich das Risiko, dass die Mitgliedstaaten einander widersprechende Entscheidungen fällen. Ein einziges Gericht ist auch für die Abwicklung des Nachlasses zuständig, nämlich dasjenige am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, es sei denn, dieses verweist die Sache an das Gericht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besitzt, wenn dieses Gericht die Sache besser beurteilen kann. Entscheidungen und Urkunden in einer Erbsache werden gegenseitig uneingeschränkt anerkannt.

Außerdem wird ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, mit dessen Hilfe jemand ohne weitere Formalitäten seine Eigenschaft als Erbe oder Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker nachweisen kann. Im Vergleich zur jetzigen Situation, wo der Weg zum Recht bisweilen doch sehr steinig ist, ist dies ein echter Fortschritt. Die Folge sind kürzere Verfahren und geringere Kosten.

Pressemeldung Europäische Kommission: IP/09/1508

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