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Keine Sittenwidrigkeit eines Behindertentestaments sowie eines Pflichtteilsverzichtsvertrages

Das Oberlandesgericht Köln bestätigt mit Urteil vom 9. Dezember 2009 (2 U 46/09) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der 90er Jahre: Eine Verfügung von Todes wegen, mit der Eltern ihr behindertes, durch den Sozialhilfeträger unterstütztes Kind nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil einsetzen und bei seinem Tod ein anderes Kind als Nacherben berufen (sog. Behindertentestament), verstößt nicht gegen die guten Sitten. Auch sah das Gericht einen vom behinderten Kind mit seinen Eltern lebzeitig abgeschlossenen Pflichtteilsverzichtsvertrag auch dann nicht als sittenwidrig an, wenn Sozialleistungen bezogen wurden.

Bei einem Behindertentestament handelt es sich um letztwillige Verfügungen der Eltern, durch die das Nachlassvermögen vor dem Zugriff des ihr behindertes Kind alimentierenden staatlichen Sozialhilfeträgers geschätzt werden soll. Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten. Beim klassischen Behindertentestament wird das Gestaltungsmodell der Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung gewählt. Das behinderte Kind wird als nicht befreiter Vorerbe nach dem letztsterbenden Elternteil auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil eingesetzt. Nacherbe des behinderten Kindes sind zumeist die Geschwister.

Der BGH hat bereits in seinem Urteil vom 20. Oktober 1993 (IV ZR 231/92) zugunsten der Testierfreiheit entschieden. Damals stützte er sich zum einen darauf, dass sich dem Sozialhilferecht weder ein gesetzliches Verbot der gewählten Gestaltung noch ein Schutzzweck des Inhalts entnehmen lasse, dass dem Sozialhilfeträger der Zugriff auf das Vermögen der Eltern spätestens bei deren Tod gesichert werden müsse. Auch könne eine Nichtigkeit der Nacherbfolge auch nicht aus der Nachrangigkeit der Sozialhilfe hergeleitet werden. Abgesehen vom Pflichtteil stünden dem Kind keine anderweitigen Ansprüche auf den Nachlass zu.

Hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts existiert bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung, weshalb das OLG Köln die Revision zugelassen hat. Der BGH wird nun klären, ob die Privatautonomie vor dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe Vorrang genießt. Anders als bei Unterhaltsverzicht, den der BGH in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2006 (XII ZR 144/04) für sittenwidrig ansah, verfügt der Pflichtteilsverzichtende noch nicht über ein subjektives Recht, sondern lediglich über eine ungesicherte Erwerbschance (noch ist offen, ob und in welcher Höhe Vermögen im Erbfall vorliegen wird). Hiergegen wird zu Recht eingewendet, dass die Gestaltung in den meisten Fällen nur deshalb gewählt wurde, um vorhandenes Vermögen dem Zugriff des zugleich in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers zu entziehen.

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