BGH-Grundsatzurteil zum Patientenwillen: Recht auf menschenwürdiges Lebensende gestärkt und Klarheit zwischen zulässiger passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe geschaffen
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25. Juni 2010 (2 StR 454/09) für mehr Klarheit beim Thema passive Sterbehilfe gesorgt. Er hat entschieden, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen durch Ärzte, Pfleger und Betreuer künftig nicht mehr strafbar ist, wenn dies der Patient in einer Patientenverfügung festgelegt hat. Der Behandlungsabbruch ist nicht nur wie bisher durch Unterlassen der weiteren Ernährung gerechtfertigt, sondern – und das ist neu – auch durch aktives Tun, das heißt zum Beispiel auch durch Abschalten einer Maschine.
Die Karlsruher Richter sprachen damit einen Rechtsanwalt vom Vorwurf des gemeinschaftlichen versuchten Totschlags frei. Dieser hatte seiner Mandantin geraten, den Schlauch für die künstliche Ernährung ihrer Mutter zu durchtrennen und die seit fünf Jahren im Wachkoma liegende Frau sterben zu lassen. Eine Besserung des Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten. Die Frau hatte vor ihrer Erkrankung mehrfach mündlich geäußert, dass sie in solchen Fällen keine Behandlung mehr wolle. Auf Anraten ihres Rechtsanwalts schnitt die Tochter den Schlauch zwar durch, die Heimpflegekräfte legten der schwerkranken Mutter jedoch erneut eine Sonde. Die Mutter starb wenige Wochen später eines natürlichen Todes. Der Bundesgerichtshof hob die vom Landgericht Fulda wegen versuchten Totschlags den zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilen Rechtsanwalts auf. Die Tochter war bereits vom Landgericht Fulda freigesprochen worden, weil sie sich aufgrund der Beratung ihres Rechtsanwalts zum Behandlungsabbruch berechtigt gesehen hatte.
Das Gericht berief sich vor allem auf das neue Gesetz zu Patientenverfügungen aus dem Jahr 2009. Danach sei der Wille des Patienten in allen Lebenslagen zu beachten.