Mit Urteil vom 19. Januar 2011 (IV ZR 7/10) entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Behindertentestament, das ein durch den Sozialhilfeträger unterstütztes Kind im Schlusserbfall nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil einsetzt und es durch Vor- und Nacherbschaft beschränkt, nicht gegen die guten Sitten verstößt. Auch der zwischen dem behinderten Kind und seinen Eltern abgeschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag ist im Fall des Bezugs von Sozialleistungen nicht sittenwidrig.
Vorliegend setzten sich die Eltern des behinderten Kindes für den ersten Todesfall gegenseitig zu Alleinerben ein. Als Schlusserbe setzten sie die behinderte Tochter zu 34/200 als nicht beschränkten Vorerben ein. Nacherbe wurde eines ihrer Geschwister. Ferner ordneten sie Dauertestamentsvollstreckung an. Die behinderte Tochter und ihre Geschwister verzichteten in einem notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem erstversterbenden Elternteil.
Die Karlsruher Richter hielten an ihrer bisherigen Rechtsprechung zu den Behindertentestamenten fest. Die Eltern können ihre Verfügung von Todes wegen so gestalten, dass das behinderte Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann. Der Bundesgerichtshof befand, dass dieses Vorgehen nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus ist.
Auch der von dem behinderten Kind als Leistungsbezieherin erklärte Pflichtteilsverzicht verstößt weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau mit dem elterlichen Testament gegen die guten Sitten und ist daher wirksam. Grundsätzlich sei jeder frei in seiner Entscheidung, ob er Erbe eines anderen werden oder auf andere Art etwas aus dessen Nachlass bekommen will, so die Bundesrichter. Es gäbe keine Pflicht zu erben oder sonst etwas aus dem Nachlass anzunehmen, auch wenn dies zu Lasten der Allgemeinheit gehe.