Mit Urteil vom 29. Juni 2011 (XII ZR 157/09) hat der Bundesgerichtshof entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein zwischen den geschiedenen Ehegatten vereinbarter Unterhaltsanspruch nach Erreichen des Rentenalters noch begrenzt und/oder zeitlich befristet werden kann.
Die Parteien hatten im Jahr 1968 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Die Trennung erfolgte 1980. Der Ehemann und Kläger war als Arzt und später als Chefarzt tätig. Die Ehefrau war bis 1970 als technische Assistentin beschäftigt. Sie führte zudem den ehelichen Haushalt. Nach der Trennung arbeitete die Ehefrau wieder halbtags als technische Assistentin. Zwei Jahre später gebar sie ein nicht vom Ehemann abstammendes Kind. Nach der Geburt war die Ehefrau nicht mehr berufstätig, sondern kümmerte sich um die Erziehung ihres Kindes. 1985 verpflichtete sich der Ehemann vor dem Familiengericht zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3.500 DM. Der Kläger hatte sich im Juni 1985 beim Scheidungstermin vor dem FamG zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3.500 DM (= 1.789,52 €) an die im Zeitpunkt der Scheidung 43-jährige Ehefrau verpflichtet.
Nachdem die Ehefrau im Jahre 2006 das allgemeine Rentenalter erreicht hatte, klagte der Ehemann mittels Abänderungsklage, den inzwischen als Altersunterhalt zu qualifizierenden Unterhaltsbetrag sowohl herabzusetzen als auch zeitlich zu befristen. Das Familiengericht Hamburg wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Hamburg gab dem Herabsetzungsbegehren des Ehemannes teilweise statt, wies aber sein Befristungsverlangen zurück. Auf die Revision des Ehemannes hob der für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenatdas Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.
Die Ansprüche des Ehemanns und Klägers waren sowohl hinsichtlich einer weitergehenden Herabsetzung als auch hinsichtlich einer möglichen Befristung des nach der Herabsetzung gegebenenfalls noch verbleibenden Unterhaltsbetrages berechtigt. Für den Zeitraum August 2006 bis Ende Dezember 2007 richtete sich die Frage der Herabsetzung des Unterhalts nach altem Recht (§ 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.; jetzt § 1578 b Abs. 1 BGB). Die dort vorgesehene Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf bedeutet, dass nur noch der Bedarf abgedeckt wird, den der Unterhaltspflichtige ohne die Ehe zum jetzigen Zeitpunkt aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Hat der Unterhaltsberechtigte das Rentenalter erreicht, kommt es darauf an, ob die tatsächlich erzielten Alterseinkünfte hinter denjenigen zurückbleiben, die er ohne die ehebedingte Einschränkung seiner Berufstätigkeit an Alterseinkommen hätte erwerben können. Vorliegend waren die während der Ehe entstandenen Nachteile vollständig durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Die nach der Ehe erlittenen weiteren Einbußen waren unabhängig von der Ehe eingetreten, da diese auf der Geburt und Betreuung eines außerehelichen Kindes beruhten. Bei hinweg gedachter Ehe stand der Ehefrau daher kein höheres als das tatsächlich vorhandene Alterseinkommen zur Verfügung. Der angemessene Lebensbedarf war somit vollständig durch die vorhandenen Alterseinkünfte gedeckt, so dass der noch zu zahlende Unterhalt maximal bis auf Null herabgesetzt werden kann. Hierüber muss das Berufungsgericht im weiteren Verfahren nach Billigkeitsgesichtspunkten erneut entscheiden, wobei auch eine teilweise oder stufenweise Herabsetzung möglich sein kann.
Sollte nach der Herabsetzung ein Restunterhalt verbleiben, ist für die Zeit ab Januar 2008 auch die Frage der Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB zu prüfen. Nach dieser am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Vorschrift kommt – anders als nach der Vorgängervorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. – u.a. auch eine Befristung des Unterhalts wegen Alters in Betracht. Eine Anpassung der Unterhaltsregelung an die neue Rechtslage ist nach § 36 Nr. 1 EGZPO zumutbar, wenn kein schützenswertes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten entgegensteht. Schutzwürdig ist das Vertrauen sowohl eines Unterhaltsberechtigten als auch eines Unterhaltsverpflichteten, der sich auf den Fortbestand der vormals getroffenen Regelung eingestellt hat. Dabei kommt es maßgebend darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte im berechtigten Vertrauen auf den weiteren Fortbestand des Unterhaltstitels Entscheidungen getroffen wie beispielsweise eine noch abzuzahlende Investition getätigt oder einen langfristigen Mietvertrag geschlossen hat. Geschützt wird also nicht generell das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts, sondern vor allem das Vertrauen als Grundlage getroffener Entscheidungen, die nicht oder nicht sogleich rückgängig gemacht werden können.
Quelle des noch nicht veröffentlichten Urteils: BGH-Pressemitteilung vom 1. Juli 2011