In einem am 2. August 2011 veröffentlichten Urteil vom 15. Juni 2011 (XII ZR 94/09) erhöhte der Bundesgerichtshof den Druck auf alleinerziehende Väter und Mütter zur Vollzeitarbeit, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 besteht für geschiedene Alleinerziehende grundsätzlich nur ein Unterhaltsanspruch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes. Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist dann möglich, wenn die Gründe in der nachehelichen Solidarität liegen oder ein Betreuungsmangel besteht. In der Praxis war häufig die Ausnahme die Regel. Die Karlsruher Richter entschieden nun, dass der Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nur dann besteht, wenn der betreuende Elternteil schlüssig nachweisen kann, dass eine Vollzeittätigkeit wegen fehlender Betreuungsmöglichkeit nicht möglich ist. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Kinderbetreuung neben einer Vollzeittätigkeit grundsätzlich keine „überobligatorische Belastung“ des betreuenden Elternteils darstelle, sondern jeweils im Einzelfall geprüft und entschieden werden müsse. Eine überobligatorische Belastung muss zudem vom betreuenden Elternteil nachgewiesen werden.
Im zu entscheidenden Fall hatte die geschiedene Mutter einer Zweitklässlerin halbtags gearbeitet und von ihrem geschiedenen Ehemann zusätzlich 440 € Betreuungsunterhalt im Monat erhalten. Aufgrund der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsreform wollte der Vater keinen weiteren Unterhalt für die Mutter zahlen und klagte vor dem Amtsgericht Grevenbroich und vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Beide wiesen seine Klage ab, da sie eine nicht zumutbare Mehrbelastung der Kindsmutter sahen. Der BGH verwies das Urteil an das OLG Düsseldorf zurück, weil dieses keine individuellen Einzelumstände aufführte, warum das Kind am Nachmittag von der Mutter betreut werden müsse.